Wie fühlt sich das Alter an? – Alterssimulationstraining mit dem Schülerjahrgang 2019/20

Vom 12. bis zum 21. Juni 2019 hat das Team von KULTURISTENHOCHunter der Federführung von Gundula Grimm – die professionelle Fachkraft unseres Kooperationspartners der Hartwig-Hesse-Stiftung – die diesjährigen Alterssimulationstrainings mit insgesamt 83 Schülerinnen und Schülern durchgeführt.

Motiviert und gut gelaunt – Übungsleiterin Gundula Grimm mit zwei teilnehmenden Schülerinnen vor dem Workshop-Raum im Hartwig-Hesse-Quartier

Im Zentrum stehen dabei die folgenden Erfahrungen: „Wie kann sich das Alter anfühlen? Wie wirken sich bestimmte Einschränkungen, etwa in der Sicht oder in der Beweglichkeit der Gelenke, auf meine Fitness insgesamt aus? Welche Bedürfnisse entwickele ich dadurch und wie kann mich ein Dritter im Alltag gut unterstützen?“

All diese Erfahrungen spürten unsere Teilnehmenden in den vergangenen zwei Wochen am eigenen Körper, um sich auf ihr Ehrenamt – die Begleitung älterer, zum Teil körperlich eingeschränkter Menschen – vorzubereiten und um auch im Alltag für die mögliche Unterstützung älterer Menschen im Stadtteil sensibilisiert zu sein.

Nach einer kurzen theoretischen Einführung in das Thema Alter und damit verbundene Einschränkungen, geht es aus den Gemeinschaftsräumen des Hartwig-Hesse-Quartiers auf zum Stadtparcours durch Hamburg St.Georg.

Die erste praktische Erfahrung führt die Teilnehmenden durch den Lohmühlenpark.

Ausgestattet mit Rollatoren, Rollstühlen, Gehstöcken und ganzen Alterssimulationsanzügen machen sich die Kleingruppen zunächst zu Fuß auf den Weg Richtung Berliner Tor. Schnell wird klar, wie viel mehr Zeit man mit körperlichen Einschränkungen auch für kleine Wege einplanen muss. Und: Barrierefreiheit ist leider keine Selbstverständlichkeit im städtischen Kontext und ein reibungsloser Weg zum Ziel möchte manchmal gut geplant sein! Flexibel bleiben gehört in jedem Fall auch dazu und so spielt der Zeitfaktor erneut eine Rolle.

Auch der Umgang mit kleinen Stufen erfordert ein wenig Übung, wenn man mit Rollator und Rollstuhl unterwegs ist.

Wie kann ich sinnvolle Unterstützung anbieten, wenn ein Mensch den Platz im Rollstuhl gegen eine Parkbank bzw. einen Theaterstuhl eintauschen möchte?

Mit der U2 fahren alle Gruppen bis zum Hauptbahnhof – es wird sich am Gleis orientiert und stets fragt man sich als eingeschränkter junger – alter – Mensch: „Wo ist der Fahrstuhl?“. Denn mit Rollator und Rollstuhl ist die Nutzung von Rolltreppen strikt untersagt. Ein neuer Blickwinkel auf die alltäglichen Wege und ein Bewusstsein für mögliche Hindernisse entstehen, wenn man selbst in die Lage eines älteren Menschen versetzt wird.

Gut gelaunt trotz starker Einschränkungen
Auch bei diesen zukünftigen Kulturistinnen und Kulturisten ist die Laune trotz warmer Temperaturen und schwerem Gepäck nicht getrübt.

Welche Tipps helfen beim Überqueren der Straße? Wie gelingt es, ohne Stolperfallen sicher und entspannt ans Ziel zu kommen? Fragen, die unsere Teilnehmenden an diesem Tag mehrfach begleiten.

Dann aber freuen sich alle auch schon auf die Pausenstation im St. Georgs Kirchhof 19. Die Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde stellt uns als neuer Kooperationspartner in diesem Jahr als Pausenstation den Chorraum im Kirchturm zur Verfügung. Hier wird sich für eine halbe Stunde des schweren Gepäcks entledigt und ein wenig Energie getankt.

Das ist auch nötig – denn so ein ganzer Gerontologischer Testanzug (GERT) wiegt 32 Kilogramm und lässt jeden Menschen, der ihn trägt, auf einen Schlag um mindestens 40 Jahre altern.

Die Pause naht.

Pastorin Elisabeth Kühn hat diese Kooperation sofort begrüßt – ist sie doch mit der Einsamkeit gerade alter und wirtschaftlich benachteiligter Menschen nur allzu sehr vertraut.  Das Team von KULTURISTENHOCHmöchte sich auf diesem Wege ganz herzlich bei Pastorin Elisabeth Kühn und dem Geschäftsstellenleiter Joachim Neu bedanken!

Nach der wohl verdienten Pause werden die Rollen und das Equipment gewechselt – wer begleitet hat, wird nun eingeschränkter „alter“ Mensch und umgekehrt. Auf geht es zum 6er Bus in der Gurlittstraße und zur nächsten Herausforderung nach einer Fahrt bis zur nächsten Haltestelle: Einkaufen bei EDEKA Niemerszein in der Langen Reihe.

Das erste Mal mit Rollator Busfahren – nicht ohne ein wenig Aufregung.

Sich sicher im Stadtverkehr bewegen schließt natürlich auch die Reise mit dem Bus nicht aus. Hier wird der Umgang mit schnell anfahrenden Busfahrer*innen sowie der Ein- und Ausstieg geübt.

Marktleiter Eberhard freut sich bei jedem Besuch der „alten Jungen“: „Das ist doch sehr wichtig, dass sich die Jugend mit dem Alltag alter Menschen vertraut macht! Unsere Gesellschaft altert rapide – darauf müssen wir uns doch alle einstellen.“

Sind das jetzt die Bio-Bananen, die ich kaufen wollte? Wo kann ich den genauen Kilopreis ablesen?

Alle gewünschten Dinge in einem großen Supermarkt finden – deutlich erschwert mit Sichteinschränkungen.

„Oh wow, ich muss mich wirklich bis ganz unten bücken, um das gewünschte Produkt zu erreichen. Ganz schön anstrengend!“ – nur eines der vielen Erkenntnisse über den Alltag als älterer Mensch, den unsere Teilnehmenden heute gewinnen.

Zurück geht es wieder mit vielen kleinen projekt-relevanten Übungen durch den Lohmühlenpark zur Basis ins Hartwig-Hesse-Quartier.

Hoch motiviert und fröhlich zeigt sich auch die Gruppe um KULTURISTENHOCH2-Mitarbeiterin und Vermittlerin Friederike Hennig.

Hier wird dann das Erlebte evaluiert und am Ende steht fest: bei allen Jugendlichen ist der Respekt und die Empathie für die alltägliche Leistung alter Menschen gewachsen.

Welche Erfahrungen habe ich körperlich und psychisch gemacht? Wie fühlt es sich an, einen Teil meiner Selbstständigkeit zu verlieren und teilweise auf Hilfe angewiesen zu sein?

Das Feedback zeigt, dass jeder Einzelne dafür sensibilisiert wurde, wie schwer es sein kann, sich im öffentlichen Raum fortzubewegen.

Das Training motiviert den neuen Jahrgang sehr, das Erlernte bald anwenden zu können. Spätestens am 03. September 2019, zur Auftaktveranstaltung des kommenden Projektjahres 2019/20, werden sie Gelegenheit dazu bekommen.

Das Team von KULTURISTENHOCHbedankt sich bei allen Schülerinnen und Schülern für ihren engagierten Einsatz bei den diesjährigen Alterssimulationstrainings. „Interessiert“, „neugierig“, „motiviert“, „einfach toll“ und „sehr engagiert“ sind die Worte, die am häufigsten im Team gefallen sind, als es darum ging, wie der kommende Jahrgang ehrenamtlicher Schülerinnen und Schüler während der Trainings aufgetreten ist.

Wir freuen uns schon, nach den Sommerferien gemeinsam mit euch und den älteren Kulturistinnen und Kulturisten loslegen zu dürfen!

Ein weiterer Bericht über die diesjährigen Alterssimulationstrainings findet sich auch hier in der Ausgabe des Hamburger Wochenblatts vom 19. Juni 2019.

Die diesjährigen Trainings konnten wir dank der Unterstützung folgender Partner und Förderer durchführen:

Hartwig-Hesse-Stiftung, EDEKA Niemerszein Lange Reihe, Mittelpunkt Mensch GmbH, Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde, Malteser Hilfsdienst e.V. – Hamburg, Behörde f. Gesundheit & Verbraucherschutz und einer weiteren Spenderorganisation

Text: Jennifer Lim & Christine Worch | KULTURISTENHOCH2

Fotos: Christine Worch, Emanuela Poll , Friederike Hennig & Silke Busse | KULTURISTENHOCH2